Maria Sibylla Merian


1647-1717

Maria Sibylla Merian (1647-1717) war eine deutsche Künstlerin und Naturforscherin. Durch ihre genauen Aufzeichnungen der Metamorphose von Schmetterlingen gilt sie als Pionierin der modernen Insektenkunde.



Lebenslauf

Maria Sibylla Merian wuchs in Frankfurt auf und entdeckte schon als Kind ihr künstlerisches Interesse, da ihre Mutter ihr aber die Unterstützung darin verwehrte, übte sie sich vorerst heimlich in einer Dachkammer im Kopieren von Kunstblättern. Sie konnte sich aber durchsetzen, eine künstlerische Ausbildung zu bekommen, und schon mit 11 Jahren fertigte sie Kupferstiche an. Mit 13 Jahren begann sie, sich für die Insektenkunde zu interessieren, die sie später beruflich betrieb als wissenschaftliche Zeichnerin, Kupferstecherin, Künstlerin und Naturforscherin.1 Den Fokus ihrer Arbeit legte sie schon früh auf Raupen und ihre Metamorphosen zum Schmetterling.2 Sie gehörte zu den ersten Forscherinnen, die Insekten systematisch beobachteten und dokumentierte vieles, was heute immer noch Forschungsgrundlage bildet, zum Beispiel Kenntnisse darüber, auf welchen Pflanzen sich welche Raupen und Schmetterlinge vorwiegend aufhalten.3

1665 heiratete sie und bekam aus dieser Ehe zwei Töchter.1 1670 zog die Familie von Frankfurt nach Nürnberg, wo Merian sich als Künstlerin um den Lebensunterhalt kümmern musste, sie unterlag jedoch der damaligen «Maler-Ordnung», die es Frauen untersagte, Ölgemälde auf Leinwand zu fertigen. So begann sie, Stickereien zu machen, mit selbst angefertigten Farben zu handeln und auch junge Frauen in der Blumenmalerei zu unterrichten.2

1685 verliess sie ihren Mann und reiste mit ihren beiden Töchtern und ihrer Mutter in die Niederlande. Da wohnhaft hörte sie zum ersten Mal von Suriname, einer niederländischen Kolonie nördlich Brasiliens, deren Flora und Fauna Merian beeindruckten und interessierten. So machte sie sich diesen fernen Ort zum Reiseziel.3 1699 trat sie die Reise mit ihrer jüngsten Tochter an, nachdem sie die meisten ihrer Stiche verkauft hatte, um dieses Vorhaben finanzieren zu können. In den zwei Jahren, die die beiden Frauen in Suriname verbrachten, entstanden die Grundlagen des später veröffentlichten Hauptwerks «Metamorphosis insectorum Surinamensium».1,2,3

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Werk

Von der Forschungsreise nach Suriname brachte Maria Sibylla Merian zahlreiche Studien, Skizzen, Beschreibungen und Tierpräparate mit nach Europa. Aus diesem Material fertigte sie in Amsterdam die meisten Blätter für ihr Hauptwerk, «Metamorphosis insectorum Surinamensium», an. Die Herangehensweise Merians unterschied sich insofern von ihren künstlerisch-naturwissenschaftlich tätigen Zeitgenossen, als dass sie nicht nur die Insekten und deren Leben, Metamorphosen und Sterben dokumentierte und darstellte. Sie zeigte in ihren Kunstblättern auch die natürliche Umgebung der Insekten auf, so war ersichtlich, welche Tiere auf welchen Pflanzen lebten.3 Die herausragende Leistung Merians liegt also einerseits in der Forschung, die sie betrieben hat, dem erstmaligen Beschreiben von Insekten in ihren Lebensräumen, aber auch in ihrer künstlerischen Darstellung. Die ästhetische Inszenierung der weitgehend unbeliebten Kriechtiere schien ihr am Herzen gelegen zu haben. Sie spezialisierte sich darauf, übersichtliche, informative Bildtafeln zu erstellen, und so künstlerisch und wissenschaftlich hohe Qualitäten miteinander zu verbinden.4 Dafür fertigte sie Kupferstiche an, die sie einfach reproduzieren konnte, und kolorierte die Blätter dann, meistens eigens von Hand, gegen Ende ihres Lebens aber auch mit Unterstützung anderer Künstler:innen.3

Das Buch «Metamorphosis insectorum Surinamensium» war ihr letztes Werk, und erschien 1705 im Eigenverlag in einer heute geschätzten Auflage von 60 Exemplaren. Merian verfasste dafür sowohl alle Texte selbst, und stellte auch die Vorlagen für die 60 Stiche her, deren Übertragung auf Kupfer sie dann in Amsterdam in Auftrag gab. Einen Teil der Exemplare kolorierte sie selbst.4

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Historischer Kontext

Der Übergang zwischen dem 17. und dem 18. Jahrhundert

Die Zeit zwischen dem 17. und 18. Jahrhundert war in Europa von grossen Widersprüchen zwischen Absolutismus, Nationalstaaten, gesellschaftlichen Schichten und religiösen Fragen geprägt. Durch die Religionskriege des 16. Jahrhunderts wurden die bestehenden Machtverhältnisse in der gesellschaftlichen Ordnung stark erschüttert. Das aufgeklärte Bürger:innentum wurde stärker, der Adel beharrte jedoch auf seine Privilegien und setzte alles daran, diese zu demonstrieren und die Macht an sich zu reissen. Damals wurde man in einen Stand hineingeboren und musste die Gesetze und Grenzen ihrer Gruppe einhalten. Die König:innen begründeten ihre höhere Stellung dadurch, von Gott auserwählt zu sein, so galten keinerlei Gesetze für sie. Sie kontrollierten auch die Mehrheit der Wirtschaft. Dabei orientierte sich diese absolutistischen Monarchien in Europa an der Diktatur des römischen Kaisertums der Spätzeit. 5

Die Repräsentation von Machtinhaber:innen war eines der wichtigsten Mittel ihrer Propaganda. Die pompöse Selbstdarstellung spielte eine zentrale Rolle am Hofe. Diese Darstellungen hatten aber meistens eher wenig mit der Wirklichkeit zu tun. Die Auftraggeber:innen waren geistlich oder adelig, doch verfolgten sie das gleiche Ziel: die Welt von ihren Vorstellungen zu umgeben. Dafür eigneten sich Allegorien, also bildliche Darstellungen von abstrakten Konzepten, Ideen oder Begriffen, bestens. Für die Verbildlichung wurden primär Frauen verwendet, nicht als Verkörperung ihrer Selbst, sondern als reines Konzept. Sie wurden nicht beim Namen genannt, sondern standen für eine Idee, zum Beispiel für die Gerechtigkeit oder die Liebe. Die Darstellung der Frau als Objekt fand weiter Verbreitung in der Kunst.5

In der nicht-adeligen Welt war die Frau nicht besser gestellt. Die weniger privilegierten Frauen waren Billigarbeitskräfte in Fabriken, andere arbeiteten als Prostituierte. Die Hausfrauen hatten es auch nicht viel besser, die erzieherische Gewalttätigkeit durch den Ehemann wurde in vielen philosophischen Schriften im 17. Jahrhundert legitimiert und als förderlich bewertet.5 Frauen wurden als passive Objekte angesehen, die stets vom Mann geformt werden konnten und ihm gehorsam sein mussten. Die grosse Mehrheit der Frauen wurde von dem beruflichen und öffentlichen Leben ausgeschlossen. Sie hatten weder in religiösen Handlungen ein Mitspracherecht noch in der Politik oder in ihrem eigenen Leben. Auch die Kunstakademien waren nicht zugänglich für Frauen, wenn überhaupt wurden sie innerfamiliär unterrichtet.6 In Schriften, wie dem 1618 in deutscher Sprache erschienenen Traktat «Ob die Weiber Menschen seyn oder nicht?»5, diskutierte man darüber, ob eine Frau überhaupt ein Mensch sei, oder doch nur eine Missgeburt oder ein Monster. Die im 15. Jahrhundert beginnenden Hexenverfolgungen, die auf einem ähnlichen ideologischen Bild basierten, zogen sich bis in das späte 18. Jahrhundert hinein und forderten zahlreiche Frauenleben.5

Wie die Frauen muss auch die Natur in ihre Schranken gewiesen werden – so war die Haltung in der neuzeitlichen Wissenschaftsentwicklung. Auch die Wissenschaft war stark patriarchal geprägt: Über die Natur sollte geherrscht werden, Mann sollte in sie eindringen und ihre Geheimnisse entreissen. Wissenschaft, wie wir sie heute kennen, entstand in diesem patriarchalen Kontext, die neuen Wissenschaftspraktiken aus dem 17. Und 18. Jahrhundert bildeten die Grundlagen für spätere Entwicklungen wie jene der Aufklärung, aber auch für heutige Standards.5

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Kunst

Die Kunstströmung in dieser Zeit wird als Barock bezeichnet und war richtungsweisend zwischen 1600 und ca. 1750. Das Wort leitet sich aus dem portugiesischen «barocco» ab und meint unregelmässige Perle, die Epochenbezeichnung entstand jedoch erst später in einem abwertenden Kontext.6 Die Kunst dieser Zeit agierte vorwiegend als katholische Propaganda, mit ihrer Verbreitung auch in protestantischen Kreisen reduzierten sich die religiösen Bildinhalte, die Dramatik und Theatralik, Prunk und überschwängliche Gefühle zeichneten die Barock-Kunst jedoch allerorts aus.6 Dies zeigt sich beispielsweise in starken Licht-Kontrasten, leuchtenden Farben, der Bewegtheit der Bilder, und dies alles unter der Prämisse von sehr ausgeprägtem Naturalismus, also möglichst lebensechten Darstellungen.5 Die Kunst des Barocks wehrt sich gegen die in der Renaissance geltenden Ideologien wie der Geometrisierung oder den Rationalismus, bedient sich aber weitgehend an Allegorien: Hinweise, Anspielungen und die mit denen einhergehende Mehrdeutigkeit sind Merkmale der barocken Kunst.5

Das Ende des Barocks, etwa zwischen 1720 und 1780, nennt sich Rokoko, und setzt weniger auf das Exzessive wie noch der Barock, sondern mehr auf fliessende Konturen und Naturelemente. Liebe, Schönheit und Unbeschwertheit werden in der Kunst des Rokoko gefeiert. Ursprünglich entwickelte sich dieser schwungvolle, organische Stil im Bereich der Innenarchitektur, vor allem in höfischen Bauten, etablierte sich aber später in der allgemeinen Architektur, in der Malerei und auch in der Bildhauerei.7

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Weiterführende Literatur

1 https://www.mpg.de/12748963/maria-sibylla-merian, 29.4.2021.

2 https://www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/maria-sibylla-merian/, 29.4.2021.

3 https://artinwords.de/maria-sibylla-merian-bilder-buecher/, 29.4.2021.

https://www.sikart.ch/KuenstlerInnen.aspx?id=4022932, 29.4.2021.

5 Schneider Beat, Penthesilea. Die andere Kultur- und Kunstgeschichte, Sozialgeschichtlich und patriarchatskritisch, Bern: Zytglogge Verlag 1999, S. 224-236.

6 Hodge Susie, Die Künstlerinnen. Werke aus fünf Jahrhunderten, Berlin: Laurence King Verlag 2020, S. 15.

7 Hodge Susie, Die Künstlerinnen. Werke aus fünf Jahrhunderten, Berlin: Laurence King Verlag 2020, S. 16.

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Bildtafel XXVII. Musa paradisiaca aus Metamorphosis insectorum Surinamensium, 1705.
Buch mit 60 farbigen Bildtafeln (kolorierte Kupferstiche), 50 x 35 cm
PD-Art